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Wie wir Technologien vom Verbrenner auch für neue Antriebsarten nutzbar machen

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Obwohl für die Elektromobilität alle Ampeln auf Grün stehen: Mancherorts werden uns die Verbrenner noch eine Weile begleiten.

Lange Zeit war die Entwicklung von Fahrzeugkomponenten nichts für Ungeduldige. Der Verbrenner hatte mehr als 100 Jahre Zeit, sich in kleinen Schritten weiterzuentwickeln. Große Sprünge waren da eher die Ausnahme. Mit dem Aufkommen des batterieelektrischen Antriebs hat sich das, zumindest in der jüngsten Vergangenheit, geändert. Denn derzeit sind für unsere Engineering-Expertinnen und -Experten die Aufgaben in der Fahrzeugentwicklung – und speziell rund um Antrieb, Abgas und Thermomanagement – besonders komplex. Einerseits fordert die Gesellschaft eine schnelle Transformation der individuellen Mobilität und dafür braucht es entsprechende Technologien. Andererseits sind die richtigen Antworten längst noch nicht in allen Bereichen der Mobilitätsbranche gefunden, sodass auch die „alten“ Technologien nicht von heute auf morgen von der Bildfläche verschwinden werden. Warum es durchaus Sinn macht, in den kommenden Jahren mehrgleisig zu denken und dabei möglichst viele Synergien zu generieren, erklärt Dr. Lutz Scholten, Leiter des Geschäftssegments Emission Reduction Solutions.

Alter Schlauch in neuen Fahrzeugen

Technologie Transfer

„Heutzutage werden wir oft mit der Frage konfrontiert, warum wir überhaupt noch weiter am Verbrennungsmotor arbeiten, wenn der doch ohnehin bald von Elektro und Co. vollständig abgelöst werden wird“, erzählt der gelernte Ingenieur. Zum einen stimmt das so nicht für alle Verkehrsbereiche – dazu später mehr. Zum anderen macht er seinen Job schon seit mehr als 30 Jahren, hat die Innovationsgeschwindigkeit hautnah miterlebt und glaubt, dass das Ende der Entwicklungs-Fahnenstange noch nicht erreicht ist: „Vor 20 Jahren war eine Sechs-Zylinder-Limousine in Deutschland das Nonplusultra, mit einem starken Drei-Liter-Motor und einem ganz wunderbaren Sound. Aber die Verbrauchswerte waren aus jetziger Sicht natürlich mies.“

Heute kann man fast dieselbe Leistung mit einem Drei-Zylinder-Hybriden erzeugen, ausgestattet mit Turboladern, Automatikgetriebe und Abgasrückführung – unter anderem dank der Schlauch- und Rohrleitungen, die er gemeinsam mit seinem Team immer weiterentwickelt hat. Denn besonders im Abgasbereich sind die gesetzlichen Vorgaben auf der ganzen Welt über die Jahre bekanntermaßen immer strenger geworden. „Ich persönlich freue mich jedes Mal, wenn die EU oder eine andere regulative Behörde noch strengere Regeln aufstellt, wie sauber ein Fahrzeug sein muss“, schmunzelt Dr. Scholten, „denn dann gibt es wieder eine neue Herausforderung, die wir gemeinsam mit den Fahrzeugherstellern lösen können. Und da haben wir sicher noch Luft nach oben.“

Technologie-Gegensätze schließen sich nicht immer aus

Und wie passt das mit der Transformation hin zu nachhaltigen Antriebskonzepten zusammen? „Ganz einfach“, weiß Dr. Scholten, „wir konzentrieren uns dabei größtenteils auf die Technologien, die nicht nur in einem Antriebskonzept genutzt werden können.“ Denn fast 70 Prozent der Fahrzeugkomponenten – darunter auch die Schlauch- und Rohrleitungen zum Beispiel für das Thermomanagement – können in gleicher, ähnlicher oder weiterentwickelter Form auch in Fahrzeugen zum Einsatz kommen, die elektrisch durch eine Batterie oder Brennstoffzellen angetrieben werden. „Überall dort, wo eine elektrophysikalische Reaktion stattfindet, können wir unsere bestehenden Technologien gut transferieren und damit den gleitenden Übergang vom Verbrenner hin zu anderen Antriebskonzepten mitgestalten.“ Denn einfach den Schalter umzulegen und sich nur noch auf ein Mobilitätsszenario zu konzentrieren, geht weder auf der Straße noch in den Entwicklungsbüros von Continental.

Die Tage des Diesel-Lkw sind gezählt

Das gilt insbesondere für den Nutzfahrzeugbereich. „Im Gegensatz zu den Pkw, bei denen sich die Hersteller für die kommenden Jahre auf den batterieelektrischen Antrieb festgelegt haben, ist dieses Konzept für die Logistik- und Transitbranche noch nicht der Weisheit letzter Schluss“, sagt Dr. Lutz Scholten. Um die Dieseltechnologie, mit der die meisten Trucks weltweit noch unterwegs sind, abzulösen, braucht es höhere Reichweiten und kürzere Tankzeiten, als es ein Elektroantrieb derzeit leisten kann.

Dr. Lutz Scholten, Leiter des Geschäftssegments Emission Reduction Solutions Eine mögliche Lösung liegt in der Brennstoffzellen-Technologie. Deswegen arbeiten er und sein Team beispielsweise an den Permeationseigenschaften von Schlauch- und Rohrleitungen. Er erklärt: „Auch bei Diesel-Trucks ist es wichtig, dass die Leitungen weder Kraftstoffe noch deren Dämpfe an die Außenwelt abgeben. Bei Wasserstoff ist das noch wichtiger, denn dessen Moleküle sind noch kleiner.“ Zudem braucht auch eine Brennstoffzelle komprimierte Luft, um mit dem Wasserstoff zu reagieren. „Insofern ist der Aufbau gar nicht so anders wie der eines turbogeladenen Verbrennungsmotors.“

Eine weitere transferierbare Technologie sind in Scholtens Augen die beheizbaren Abgasleitungen, die ursprünglich für Pkw-Dieselmotoren entwickelt wurden. Bekannterweise emittieren diese nicht nur CO2, sondern auch gesundheitsschädliche Stickoxide, die durch die Einspritzung von Harnstoff unschädlich gemacht werden. Harnstoff ist aber empfindlich und flockt bei zu kühlen Temperaturen schnell aus. „Wir haben daher schon vor Jahren elektrisch beheizbare Leitungen entwickelt, damit es nicht zu Verstopfungen im Leitungssystem kommt“, weiß er.

Bei Brennstoffzellen gibt es ein ähnliches Problem, denn hier entsteht als Abgas Wasserdampf, der sich an den Leitungswänden absetzt und bei Minustemperaturen zu Eis gefriert. “Hier ist das Prinzip so ähnlich, dass wir eigentlich nur die Leitungen auf die richtige Geometrie und den passenden Durchmesser auslegen müssen und schon können wir sie auch in Brennstoffzellen-Fahrzeugen nutzen.“

Darüber hinaus gibt es natürlich auch Technologien mit einer hohen Kontinuität. „Große Lkw brauchen zum Beispiel Hochdruck-Hydrauliksysteme, damit die Lenkachse im Stehen überhaupt bewegt werden kann“, erklärt Dr. Scholten. „Und da macht es keinen Unterschied, ob das Fahrzeug mit einem Dieselmotor, einem Elektroakku oder einer Brennstoffzelle angetrieben wird.“ Trotzdem sind auch diese Komponenten einem kontinuierlichen Verbesserungs- und Effizienzsteigerungsprozess unterzogen. „In keinem dieser Bereiche können und wollen wir uns auf unseren Lorbeeren ausruhen, denn aus meiner Sicht wird der Diesel besonders bei den Nutzfahrzeugen noch sehr lange im Gebrauch sein.“

Mit Wasserstoff in die emissionsfreie Zukunft?

Technologie Transfer

Dass sich das in nicht allzu ferner Zukunft einmal ändert, daran arbeitet nun auch das neue Sales- und Kompetenzzentrum für Leitungstechnologie im japanischen Yokohama. „Die Asiaten sind uns in Sachen Wasserstoff mindestens einen Schritt voraus“, gibt Dr. Lutz Scholten zu. „Daher ist es für uns ein logischer Schritt, die Zusammenarbeit mit den Antriebsspezialisten der lokalen Technologieführer direkt vor deren Haustür zu stärken.“

Mit seiner schon im Jahr 2017 verabschiedeten Strategie, sich zu einer „Hydrogen Society“ zu entwickeln, bietet Japan – ein Land umgeben von Wasser – optimale Bedingungen. Gerüchteweise sollen dort ab 2030 bis zu 800.000 wasserstoffbetriebene Fahrzeuge produziert und lokal zugelassen werden – pro Jahr. „Und dass Wasserstoff auch über die individuelle Mobilität hinaus die Chance für eine wirklich emissionsfreie Weltgesellschaft bietet, hat ja auch unser Aufsichtsrat Professor Wolfgang Reitzle erst kürzlich wieder betont“, schließt Dr. Lutz Scholten. Diese Transformation wollen er und sein Team aktiv mitgestalten – indem sie das über Jahrzehnte gesammelte Wissen über „alte“ Technologien auf deren Nachfolger transferieren.

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